Bollengenossenschaft Trittau

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Vor über 200 Jahren war es üblich, das die Einwohner eines Dorfes, die Kühe hielten, einen gemeinsamen Deckbullen hielten, den Dorfbullen, der damit auch der "Dorfschaft" gehörte. Dieser Bulle wurde auf einer Landfläche gehalten, dem "Bollenland", das ebenfalls dieser Dorfschaft gehörte.

Bauernvogt Carl Harders

Die Entstehung der "Bollenländereien" der Dorfschaft Trittau hängt zusammen mit der Agrarreform von 1771. Vor dieser Zeit ist von Bollenländereien nicht die Rede, insbesondere auch nicht im Erdbuch von 1708 und in den für die Herzogtümer erlassenen Gesetzen und Verordnungen. Es hat aber zweifellos vor den Landverteilungen den oder die Dorfbullen gegeben, weil wie selbstverständlich Grundstücke für den eben doch vorhandenen Dorfbullen ausgelegt wurden. Im Erdbuch des Dorfes Trittau 1765/66[1] wird im Eintrag zum Bauervoigt Hinrich Fridrich Bestmann in dessen Viehliste auch aufgeführt 1 Bullen so der Dorfschafft gehöret. Die "communalen Gemeinheiten", d.h. das Gemeinschaftsland des Dorfes, wurden 1777/1778 verteilt. Für die Dorfschaft Trittau wurden "zu einer gemeinschaftlichen Bollenwiese" Ländereien der Gesamtgröße von über 7 Tonnen (alte Maßeinheit) ausgelegt. In einer Bekanntmachung vom 30. Oktober 1813 wird festgehalten, dass die Auslegung der Koppel vom Hebüchen Moor als Bollenwiese genehmigt wurde. Im Vertrag vom 19. März 1822 werden die Bollenländereien dem Halbhufner Stender zum Eigentum überschrieben unter Zuschreibung zu seiner Hufe. Eine Entscheidung, die in späteren Jahren zu einer gerichtlichen Auseinandersetzung führen sollte. Stender übernahm dafür die Verpflichtung, auf seiner Halbhufe einen, erforderlichenfalls zwei taugliche Zuchtbullen zur unentgeltlichen Nutzung der "beikommenden Trittauer Dorfeingeseßenen" zu halten. Im Vertrag werden als "beikommende Eingeseßene" der Bauernvogt Harders, 10 Halbhufner, 4 Käthner und 7 Bödner genannt. Deshalb nannte man sich auch "Die Genossenschaft der 22 Bauern". Dieser Begriff wird immer noch verwendet, obwohl die Genossenschaft heute (2015) nur noch aus 9 Mitgliedern besteht.

1842 erwarb Mannshardt den gesamten Landbesitz Stender, wurde damit auch Eigentümer des Bollenlandes. Seinen gesamten Besitz veräußerte er 1867 an F.W. Siefahrt, der wie seine Vorbesitzer auch seiner Verpflichtung zur Stierhaltung bis 1874 nachkam.

In der königlichen Amtsstube zu Trittau wurde am 22. Oktober 1846 ein Verzeichnis über das Landareal der Dorfschaft Trittau erstellt. Es war ein Verzeichnis aller Einwohner Trittaus, die eine oder mehrere Kühe in ihrem Bestand hielten. Erfasst wurden Beruf, Name und Größe der bewirtschafteten Ländereien. Es war ein Zusammenschluss der "Eingeseßenen" zwecks gemeinsamer Nutzung eines Deckbullen, die sich später "Bollengenossenschaft Trittau" nannte.

Im Jahr 1874 parzellierte (= Aufteilung und Verkauf einzelner Flächen eines Bauernhofes) Siefahrt seinen Besitz. Er behielt eine Koppel und veräußerte 32 verschieden große Landflächen an 32 Trittauer Einwohner. Der Gemeinde Trittau bot er die "Bollenländereien" zum Kauf an. Daraufhin machten die Rechtsnachfolger der im Vertrag von 1822 genannten "beikommenden" Stellenbesitzer den Anspruch der von Stender übernommenen Verpflichtung zur Stierhaltung geltend. Nach dem Urteil des Kreisgerichtes Altona vom 24. November 1875 wurde die Gemeinde Trittau als Eigentümerin der Bollenländereien zur Stierhaltung nach Maßgabe des Vertrages von 1822 verurteilt. Die Gemeindevertreter regten daraufhin Verhandlungen an, die dazu führten, dass die Bollenländereien mit Vertrag vom 1. März 1877 der Genossenschaft der 22 Bauern als Eigentum rückübertragen wurden.

Es ist nicht ersichtlich, in welcher Weise die Bauern in Trittau seit 1874 die Versorgung mit Zuchtbullen gedeckt haben. Es ist anzunehmen, dass sich in den Jahren immer mehr Landwirte einen eigenen Bullen angeschafft hatten, so dass ein Gemeinschaftsbulle nicht mehr notwendig war. Sie haben auch nach dem Erwerb der Bollenländereien diese nicht mehr zur Haltung von Bullen benutzt, sondern sie regelmäßig verpachtet. Der Pachterlös - abzüglich aller Kosten wie z.B. Grundsteuer, Kirchensteuer und Schulsteuer, wurde unter den Genossenschaftsmitgliedern aufgeteilt im Verhältnis der 1846 festgelegten Landanteile.

Nachdem die Bollenländereien wieder im Besitz der "Genossenschaft der 22 Bauern war", meldeten sich Siefahrt und sieben Erwerber von Parzellen aus dem Siefahrtschen Besitz zu Worte und erhoben 1884 beim Amtsgericht Trittau Klage gegen die 20 Bauern mit dem Ziel, an dem Eigentum oder doch an der Nutzung der Bollenländereien beteiligt zu werden. Die Klage wurde abgewiesen, da Siefahrt ja seine Verpflichtung zur Stierhaltung mit dem Verkauf der Bollenländereien an die Gemeinde übertragen hätte.

Nach diesen Wirren der vergangenen Jahrzehnte um die Bollenländereien war es an der Zeit, verbindliche Regelungen über die Nutzung der Bollenländereien aufzustellen. 1893 wurde ein Vertrag vor dem königlich preußischen Amtsgericht zu Trittau über die Bollengenossenschaft geschlossen. Anlass war das Ableben des Genossen Halbhufner Stahmer und die nachfolgende Parzellierung eines Hofes. Der Käufer, der das Wohnhaus und etwas Land erworben hatte, erhob Klage gegen die Erben Stahmers auf Beteiligung an den Bollenländereien. Er nahm die Klage - offenbar auf Intervention seitens der Genossen - aber wieder zurück. Im "Protokollbuch der Genossenschaft der Bollenländereien Trittau" von 1893, das im Original noch heute von den Genossen der heutigen Bollengenossenschaft geführt wird, ist der Vertrag inklusive Begründung aufgeführt.

Ein interessantes Ritual soll ca. 1949 eingeführt worden sein: Wenn aufgrund der Erbfolge ein neuer Genosse in die Genossenschaft aufgenommen wurde, musste er als Einstand über einen von 2 Personen gehaltenen Bollenpesel springen (Bollenpesel = getrockneter Penis eines Bullen, dem ein Stabilisierungsdraht eingezogen wurde). Solch ein Bollenpesel wurde zu der Zeit noch von hauptamtlichen Melkern (auch Schweizer genannt) auf großen Höfen zum Viehtreiben genutzt.

Die "Bollengenossenschaft" existiert heute noch (2015) und trifft sich einmal jährlich zu ihrer Jahreshauptversammlung, auf der der Pachterlös der Bollenländereien auf die Mitglieder im Verhältnis der 1846 festgelegten Landanteile verteilt wird. Auf der Jahreshauptversammlung gibt es für die Mitglieder Speisen und Getränke frei, damit ist auch schon der Löwenanteil des Pachterlöses aufgezehrt und es bleiben nur noch ein paar wenige Euro für die Mitglieder übrig.

Von den ursprünglich 19 Mitgliedern sind heute noch 9 Mitglieder übrig geblieben (Stand Anfang 2015). Es sind dies:

1 Scharnberg 10 Harders 16 Burmeister
2 Hinsch 12 Grunwald 18 Rosenau
3 Petersen 15 Schmechel 19 Zingelmann

Die Ziffern vor den Namen entsprechen der Nummerierung der Landstellen im Vertrag von 1893, um eine bessere Zuordnung der Personen zu den Ländereien zu haben, denn nur bei drei Genossen hat sich der Familienname bis heute gehalten (Burmeister, Harders und Scharnberg).

Einzelnachweise

  1. Erdbuch des Amtes Trittau (1765/66), Staatsarchiv Hamburg, Signatur: 423-1 A2