Genesungsheim

Aus Trittau-Wiki
Wechseln zu: Navigation, Suche

Das Genesungsheim war eine Einrichtung einer Hamburger Krankenkasse. Es diente bis 1931 als Kurhaus für männliche Versicherte zur Wiederherstellung der Gesundheit. Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten wurde das Heim als Gauführerschule genutzt. 1941 erfolgte der Verkauf an Staatsrat John Theodor Essberger. Nach Kriegsende waren Flüchtlinge in den Gebäuden untergebracht. Der Abriss erfolgte Ende der 60er Jahre, als das Gewerbegebiet (B-Plan 11) entstand.

Lage

die Lage des Genesungsheims mit der Zufahrt von der Kieler Straße

Das Genesungsheim lag etwas abgesetzt vom Ort im Norden Trittaus mit einer langen Zufahrt von der Kieler Straße aus. Es befand sich etwa im westlichen Winkel der Otto-Hahn-Straße und der Bunsenstraße. Nach dem Ankauf von 16 Morgen Sandboden, wovon ungefähr 1/3 bewaldet ist, wurde das Gelände von einem Landschaftsgärtner parkartig gestaltet. Nach einer Beschreibung der Lage aus dem Jahr 1901 lehnte sich das Heim einem sanft ansteigenden Hügel an, der es gegen Nord- und Nordwest-Winde schützt. Von der Hauptfront nach Osten genießt man eine herrliche Aussicht auf den imposanten Trittauer Wald.[1]

Bau

Reste der alten Parkanlage des Genesungsheims

Die Grundsteinlegung erfolgte am 4. September 1898. Der Bau wurde unter der Leitung des Architekten Henry Emil August Meyer (1866-1946) zügig erstellt und schon am 18. Juni 1899 fand die Eröffnungsfeier statt. Das Genesungsheim und die Wirtschaftsgebäude lagen in einem großen Park, bei späteren kleinen Anbauten und Erweiterungen kam 1924 auch eine Kegelbahn dazu.

In der Mitte des Baues befanden sich im Erdgeschoss links und rechts des Eingangsflures das Verwaltungs- und das Schwesternzimmer sowie ein geräumiger Speisesaal und ein Gesellschaftszimmer mit Bibliothek und Spielschrank, an die sich im Westen und Süden noch eine glasbedachte Veranda anschloss. Die Küche lag neben dem Speisesaal und hatte einen separaten Ausgang zum Wirtschaftshof. Außerdem gab es für die Körperpflege ein Bad, das mit drei Badewannen ausgestattet war und es waren mehrere Closets mit modernster Wasserspülung vorhanden.[1] Von einem durchgehenden Korridor zweigten im Erdgeschoss und im ersten Stock die Schlafräume für die Pfleglinge ab. Die Zimmer waren mit 2 bis 4 Holzbetten, Schränken und Nachttischen ausgestattet. Im Keller befanden sich diverse Vorratsräume, das Dachgeschoss diente zum Trocknen der Wäsche. Außerdem befanden sich dort Räume für das Personal. Das Haus war mit Öfen ausgestattet, so dass der Betrieb auch im Winter durchgeführt werden konnte.

Der Annehmlichkeit dienten auch weitere, moderne Einrichtungen. Eine Dynamo-Maschine, angetrieben durch einen Petroleum-Motor, versorgte das Haus mit elektrischem Strom für die Beleuchtung. Außerdem wurde von dem Motor das Pumpwerk für die Wasserversorgung angetrieben. Aus dem auf dem Grundstück gebohrten Trinkwasserbrunnen wurde das Wasser in ein im Dachgeschoss befindliches Wasserbassin gepumpt und versorgte so sämtliche Wasserzapfstellen im Haus mit fließendem Wasser.

Neben dem Genesungsheim befand sich das Wirtschaftsgebäude mit Stallungen.

In den Jahren 1925-1927 gab es Überlegungen, das Genesungsheim zu vergrößern. Entwürfe für einen Erweiterungsbau auf 70 Betten mit größerem Gesellschaftsraum, mehr Nebenräumen, der Erweiterung um eine Liegehalle und ev. Behandlungsräumen (Höhensonne etc.) sowie der dann notwendigen Vergrößerung der Wirtschaftsgebäude wurden von den Architekten H. Distel und A. Grubitz in Hamburg gefertigt. Verwirklicht wurden diese Pläne dann aber nicht.[2]

Geschichte

Teller mit Ansicht des Genesungsheims

Die Ortskrankenkasse für kaufmännische Geschäfte in Hamburg war eine der ersten Krankenkassen, die aus eigenen Mitteln eine Art Kurhaus für Genesende zur vollständigen Wiederherstellung der Gesundheit errichtete. Ziel war die Erreichung andauernder Gesundheit und Erwerbsfähigkeit durch Arbeitsruhe und rein klimatisch-diätetische Fürsorge.[1] Durch gesundheitsfördernde frische Waldluft und reichlich bemessene kräftige Kost bei ärztlicher Controle sollten die Versicherten genesen.

Die Herstellungskosten für das Heim in Trittau mit 30 Betten betrugen 6.000 Mark für das Grundstück, 57.000 Mark für den Bau sowie 11.500 Mark für die Einrichtung.[3] Nach dem Zusammenschluss der Ortskrankenkassen zur Allgemeinen Ortskrankenkasse (AOK) wurde das Genesungsheim in Trittau am 1. Oktober 1919 auf diese übertragen und die Änderung im Grundbuch der Gemeinde Trittau Band VI Blatt 3 eingetragen.[4] 1928 war das Trittauer Heim eines von vier von der AOK betriebenen Häusern für Rekonvaleszenten. Das Heim in Trittau war für männliche Versicherte, zusammen mit dem Heim in Reinfeld standen 100 Betten zur Verfügung. Für weibliche Versicherte gab es Heime in Kollow und Sophienbad-Reinbek mit zusammen 200 Betten.[5]

Betrieb als Genesungsheim

Das Heim stand vom Beginn bis zum 30. April 1902 unter der Leitung von Schwester Lina Appelhagen, die für diese Aufgabe vom Krankenpflegerinnen-Institut des Vaterländischen Frauen-Hülfs-Vereins in Hamburg überlassen wurde. Die folgenden 18 Jahre leitete Schwester Marie Jakowski die Einrichtung und ab dem 1. März 1920 übernahm Schwester Lisa Müller die Leitungsstelle. Den ausgebildeten Schwestern standen ärztliche Berater zu Seite, die in Trittau wohnten und praktizierten. Zu Beginn des Betriebes war dies Dr. Boyens.

Bis zum 25jährigen Jubiläum im Jahre 1924 waren insgesamt 6.211 Personen zur Erholung im Genesungsheim aufgenommen worden. Die Dauer der Unterbringung betrug in der Regel 3 bis 4 Wochen. Zum 1. April 1931 wurde das Genesungsheim wegen der schlechten Finanzlage von der Krankenkasse geschlossen. Eine Wiedereröffnung des Betriebes war wegen zu geringer Bettenzahl (32) unwirtschaftlich.

Die ersten Pfleglinge wurden am 19. Juni 1899 aufgenommen. Die gute Luft, eine wohltuende Umgebung mit - im Gegensatz zu einem Krankenhaus - in heimeliger Atmosphäre mit Vorhängen und Bettvorlegern ausgestatteten Zimmern und reichlich nahrhafte Kost sollten für die Erholung sorgen. Die Mahlzeiten wurden im Speisesaal eingenommen, zum Frühstück gab es Kaffee, Milch, Butterbrot und Eier, Mittagsgerichte bestanden z.B. aus Milchsuppe, Kalbsleber, Kartoffeln und Senfgurken oder Rhabarbergrütze, Kalbsbraten, Spinat und Kartoffeln. Am Nachmittag gab es Kaffee, Milch und Brötchen und zum Abendessen meist belegtes Butterbrot, dazu Milch oder Tee. Zusätzlich wurde am Vormittag und späten Nachmittag noch Milch ausgeschenkt. Bei dieser guten Verpflegung nahmen die Pfleglinge im Schnitt während ihres Aufenthaltes 3 Kilogramm zu.

Übergabe des Genesungsheims Trittau an das SA-Hochschulamt

Wirtschaftliche Schwierigkeiten zwangen die AOK, das Heim in Trittau an den hamburgischen Staat zu verkaufen. Nach langen Verhandlungen einigte man sich am 6. September 1934 auf einen Kaufpreis von 95.000 RM inklusive Inventar, wobei die Summe nicht ausgezahlt wurde, sondern mit Forderungen Hamburgs an die AOK verrechnet wurde. Der notarielle Kaufvertrag wurde am 15. Juni 1935 geschlossen.[6]

Vorausgegangen war eine Verpachtung der Anlage an das SA-Hochschulamt ab dem 17. Januar 1934 zwecks Errichtung einer Sportschule. Auf Weisung des Führers war bei jeder Universität ein S.A. Hochschulamt eingerichtet worden. Das Amt hatte dafür zu sorgen, dass die deutschen Studierenden körperlich und geistig im Sinne der Vorkämpfer der deutschen Revolution einheitlich ausgebildet werden. Das Grundstück der AOK in Trittau sollte zur Durchführung des sportlichen Geländedienstes mit Unterkunft für täglich 300 Mann genutzt werden.[7] Das Gelände erwies sich dann jedoch als zu klein und ungeeignet, daraufhin erging im November 1934 die Mitteilung, dass das Grundstück nach Aufgabe der Sportschule durch das SA-Hochschulamt nunmehr als Gauführerschule verwendet werden soll.

Umwidmung zum Kursgebäude der Gau-Führerschule II

In der Folge wurde das ehemalige Genesungsheim von diversen Einrichtungen der NSDAP genutzt. Das Hamburger Fremdenblatt berichtet in seiner Abendausgabe vom 2. April 1935: Das frühere Genesungsheim der Allgemeinen Ortskrankenkasse Hamburg in Trittau wurde von der Gau-Führerschule II übernommen. Der erste, 42 Kursusteilnehmer umfassende Lehrgang, ist bereits eingetroffen. Auch das bisherige Heim, die Burg Seebergen im benachbarten Lütjensee, bleibt bestehen. Schulungsleiter für beide Heime ist Pg. H. von der Lieth. Ebenso wurde es als Schulungsburg genutzt, so z.B. durch den NS-Lehrerbund. Dazu schreibt Uwe Schmidt: Alle Amtsträger des NSLB wurden im Mai 1937 zu einer fünftägigen Lagerschulung unter der Leitung des stellvertretenden Hamburger NSLB-Führers Albert Mansfeld zusammengefasst, die, wie es hieß, in der Schulungsburg Trittau, also in unmittelbarer Umgebung der Gauführerschule II der Hamburger NSDAP in Lütjensee, stattfand. In einer Fußnote erläutert er: In Trittau befand sich als eine Art Dependance der Gauschule Lütjensee das frühere Genesungsheim der AOK, das die NSDAP übernommen hatte.[8]

Verkauf an Staatsrat Essberger

Nutzung nach Kriegsende

Die Zahl der Flüchtlinge war hoch und es mangelte an Wohnraum, so dass alle Gebäude der Anlage zur Unterbringung genutzt wurden, auch in der Kegelbahn waren Flüchtlinge einquartiert.

Antrag Kriegssachschäden 1947

1947 stellte das Landesjugendamt der Hansestadt Hamburg einen Antrag auf Ersatzleistung für Sachschäden bei der Kreisfeststellungsbehörde in Bad Oldesloe. Für die Wiederbeschaffung zerstörter und abhanden gekommener Sachen wurde eine Zahlung von 11.979 Reichsmark beantragt. Der Schaden wäre entstanden durch anderweitige Verwendung des Inventars durch Mil.Reg. und durch Plünderung der Bevölkerung.[9] Abgerissen wurden die Anlagen des ehemaligen Genesungsheims im Zuge der Erweiterung Trittaus durch das neue Gewerbegebiet mit der Otto-Hahn-Straße und der Bunsenstraße. Der Bebauungsplan Nr. 11 der Gemeinde Trittau trat am 31. August 1968 in Kraft, das Gebiet wurde in den 70er Jahren erschlossen und bebaut.

Abbildungen

Das Genesungsheim war zu Beginn des 20. Jahrhunderts ein häufig genutztes Motiv auf Ansichtskarten aus Trittau.[10]

Besonderheiten

Das Gelände des ehemaligen Genesungsheims ist offenbar auch für Freunde des Geocaching interessant.[11]

Weblinks

Literatur

  • Ortskrankenkasse für Kaufmännische Geschäfte: Bericht über die Genesungsheime der Ortskrankenkasse für Kaufmännische Geschäfte zu Hamburg, belegen in Trittau (Holstein) und in Kollow bei Schwarzenbek, Hamburg Grefe & Tiedemann 1901
  • Adam: Die Genesungsheime in Trittau und Kollow, in Hamburg in naturwissenschaftlicher und medizinischer Beziehung: den Teilnehmern der 73. Versammlung Deutscher Naturforscher und Ärzte als Festgabe gewidmet, Hamburg 1901
  • 25 Jahre - 1899-1924 - Genesungsheime Trittau und Kollow, Hamburg 1924

Einzelnachweise

  1. a b c Bericht über die Genesungsheime belegen in Trittau (Holstein) und in Kollow bei Schwarzenbek
  2. Staatsarchiv Hamburg [621-1/96 239]
  3. Moritz Fürst: Stellung und Aufgaben des Arztes in der öffentlichen Armenpflege, Nachdruck des Originals von 1903, Salzwasser Verlag GmbH Paderborn, ISBN 978-3-84604-199-4 (S. 255, google books, abgerufen am 22.1.2015.)
  4. Quelle: Staatsarchiv Hamburg, Signatur 621-1/96_221 Umschreibung des Grundstücks des Genesungsheims Trittau auf die AOK Hamburg
  5. Gesundheitsbehörde Hamburg: Hygiene und soziale Hygiene in Hamburg, Paul Hartung Verlag Hamburg 1928, S. 354 ff.
  6. Staatsarchiv Hamburg Bestand 621-1/96 241: AOK Hamburg, Übergabe des Genesungsheims Trittau an das SA-Hochschulamt und Umwidmung zum Kursgebäude der Gau-Führerschule II
  7. Staatsarchiv Bestand Hamburg 311-2 IV D V I B 2 x II Bl Finanzdeputation, Akten über den Ankauf d. Grdst. in Trittau Bd. 6 Bl. 3, 13, 84 von der Allgemeinen Ortskrankenkasse Hamburg 1934-1936( für das SA-Hochschulamt sowie abgewiesene Rückerstattungsforderungen 1947-1951)
  8. Die Menschen in den Schulen aus: Uwe Schmidt Hamburger Schulen im „Dritten Reich“, Band 1 herausgegeben von Rainer Hering, Beiträge zur Geschichte Hamburgs, herausgegeben vom Verein für Hamburgische Geschichte, Band 64 S. 315–476
  9. Quelle: Staatsarchiv Hamburg, Bestand 311-3 I Finanzbehörde 442-40 K-5700
  10. Adolf Wolkewitz: Trittau und seine Amtsgemeinden, Kurt Viebranz Verlag
  11. Website Geocaching, Bildergalerie, abgerufen am 22.1.2015